Laufstil optimieren – Wissenschaftliche Perspektive und Praxis.

Das Thema Laufstil und hierbei vor allem der Fersenlauf vs. Vorfußlauf wird seit Jahren kontrovers in der Läuferszene diskutiert. Sollten wir Vorfuß, Mittelfuß oder Ferse zuerst aufsetzen? Dieser Ansatz sorgt oft für hitzige Debatten. 

Ein ganz aktueller Peer-Review-Artikel aus November 2024, verfasst von Chen et al. und veröffentlicht in der renommierten Fachzeitschrift Advanced Exercise and Health Science, beleuchtet die biomechanischen Unterschiede zwischen dem Vorfuß- und Fersenlaufstil. Dieser systematische Review basiert auf der Analyse von 11 qualitativ hochwertigen Studien und liefert tolle Einblicke in die Vor- und Nachteile der beiden Laufstile. Was macht den Vorfußlauf so besonders, und welche Herausforderungen bringt er mit sich?

Warum laufen wir eigentlich vermehrt über die Ferse?

Die Antwort liegt in vielen Fällen in unserer Lebensweise und der Tatsache, dass viele Hobby-Läufer erst im fortgeschrittenen Alter mit dem Laufen beginnen. Als Kinder laufen wir meist natürlicher auf dem Vorfuß oder Mittelfuß. Auch, wenn wir Barfuß über die Wiese laufen, würde man in den seltensten Fällen auf die Idee kommen, mit der Ferse zuerst zu landen. Instinktiv landet man dabei auf dem Mittel-/Vorfuß. Doch durch das Tragen von stark gedämpften Schuhen mit hoher Sprengung, die die natürliche Bewegung einschränken, gewöhnt sich unser Körper an den Fersenlauf. Diese Anpassung wird über die Jahre verstärkt, besonders da moderne Schuhe und ein oft sitzender Lebensstil die Entwicklung eines natürlichen Laufstils beeinträchtigen. Schätzungen gehen davon aus, dass etwa 80% aller Lauf-Einsteiger Fersenläufer sind. 

Laufstil - Fersenlauf
Fersenlauf – Die Landung erfolgt deutlich auf der Ferse (dorsiflexion des Fußes – Zehenspitzen zeigen bei der Landephase nach oben)

Laufstil ändern – macht das Sinn?

Laut Chen et.al zeigt der Vorfußlaufstil klare biomechanische Vorteile:

  • Geringere Kniebelastung: Vorfußläufer landen mit einem plantarflexierten* Fuß (Zehen zeigen nach unten) und nutzen eine stärkere Beugung in Hüfte und Knie. Dies reduziert die Stoßkräfte auf das Knie und senkt das Risiko von Verletzungen wie dem patellofemoralen Schmerzsyndrom.
  • Höhere Effizienz: Die erhöhte Beinsteifigkeit im Vorfußlauf fördert eine elastische Rückfederung, wodurch weniger Energie verloren geht. Dadurch wird die Laufökonomie verbessert.

Im Vergleich dazu sind Fersenläufer stärker auf eine dorsiflexierte* Fußposition angewiesen, was zu höheren vertikalen Aufprallkräften führt, die direkt auf das Knie übertragen werden. Dieser Laufstil ist daher stärker mit Knieverletzungen assoziiert.


Vorfußlauf – der Fuß berührt zuerst mit dem Ballen den Boden. Die Folge ist eine natürliche Stoßdämpfung und eine effizientere Energieübertragung.

Risiken bei der Umstellung deines Laufstils

Die Studie hebt jedoch auch die Herausforderungen des Vorfußlaufs hervor:

  • Erhöhte Belastung der Achillessehne: Der Vorfußlauf beansprucht die Achillessehne und die Wadenmuskulatur signifikant stärker, was das Risiko für Verletzungen wie Achillessehnenentzündungen und Plantarfasziitis erhöht.
  • Langsame Anpassung: Da die Anpassung von Sehnen und Bändern mehr Zeit benötigt als die Verbesserung der Kondition, birgt eine zu schnelle Umstellung hohe Verletzungsrisiken.

Praktische Tipps zur Laufstilanpassung

1. Muskelaufbau und Flexibilität fördern

Chen et al. empfehlen, die Wadenmuskulatur gezielt zu stärken und die Beweglichkeit des Sprunggelenks zu fördern. Übungen wie Wadenheber sind dabei unverzichtbar.

2. Progressive Umstellung deines Laufstils

Die Einführung des Vorfußlaufens sollte schrittweise erfolgen. Die Autoren betonen, dass eine vollständige Anpassung für längere Strecken (z. B. 10 km) bis zu sechs Monate dauern kann.

3. Regelmäßige Laufstilanalyse

Eine professionelle Laufstilanalyse hilft, biomechanische Schwächen zu identifizieren und gezielt zu korrigieren. Dies kann helfen, die Umstellung effizienter und sicherer zu gestalten.

Fazit: Laufstil optimieren für weniger Verletzungen

Der Artikel von Chen et al. unterstreicht, dass der Vorfußlaufstil klare Vorteile in Bezug auf Knieentlastung und Laufökonomie bietet. Gleichzeitig ist er jedoch mit höheren Anforderungen an die Muskulatur und längeren Anpassungszeiten verbunden. Die schrittweise Einführung und ein gezieltes Training der Waden- und Fußmuskulatur sind entscheidend, um das Verletzungsrisiko zu minimieren und langfristig von den Vorteilen des Vorfußlaufens zu profitieren.

Die neuesten wissenschaftlichen Erkenntnisse belegen somit, dass eine bewusste Auseinandersetzung mit dem eigenen Laufstil essenziell ist, um Verletzungen zu vermeiden und die Effizienz zu steigern.


Ich persönlich bin zu der Überzeugung gelangt, dass der Laufstil nicht allein durch den Fußaufsatz definiert werden kann und sollte. Vielmehr ist es das komplexe Zusammenspiel vieler kleiner „Zahnrädchen“ – beginnend bei laufspezifischem Krafttraining (!) oder z.B. die Körperhaltung, Armhaltung, Schrittfrequenz, usw. – die in Summe einen ökonomischen Laufstil ausmachen. Jeder Läufer und Läuferin ist individuell, und die optimale Lauftechnik sollte immer auf die spezifischen Bedürfnisse und Voraussetzungen abgestimmt werden.

Chen et.al (2024); Biomechanical differences between habitual forefoot and rearfoot strike running: A systematic review. Advanced Exercise and Health Science; https://doi.org/10.1016/j.aehs.2024.11.004

*Ein plantarflexierter Fuß bedeutet, dass der Fuß beim Aufsetzen leicht nach unten geneigt ist, wie beim Tippen mit den Zehen. Dies steht im Gegensatz zu einer dorsiflexierten Position, bei der der Fuß nach oben gezogen ist, wie wenn die Zehen in Richtung Schienbein zeigen.Beim Laufen in einer plantarflexierten Position, wie es typischerweise beim Vorfußlauf der Fall ist, wird die Belastung auf den Ballen und die Waden verlagert. Diese Haltung hilft, Stoßkräfte abzufedern und die Energie effizienter weiterzuleiten, da der Fuß eine federnde Bewegung ausführt.

Eine dorsiflexierte Fußposition beschreibt eine Haltung des Fußes, bei der die Zehen in Richtung des Schienbeins angezogen sind. Diese Position tritt häufig beim Fersenlauf auf, da der Fuß mit der Ferse den Boden berührt, während der Vorderfuß angehoben bleibt.Diese Haltung kann zu höheren vertikalen Aufprallkräften führen, die sich auf das Knie übertragen, und ist oft mit einer stärkeren Belastung des Kniegelenks assoziiert.


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Servus!

Ich bin Philipp, passionierter Läufer, Triathlet und Lauftrainer. Nach über 25 Jahren auf dem Fußballplatz – inklusive unzähliger Grätschen und legendärer „Lupfer“, die leider viel zu oft das Ziel verfehlten – habe ich das Laufen und den Triathlon für mich entdeckt und bin seither auf einer neuen sportlichen Mission!

Mit meiner medizinischen Expertise als ehemaliger Intensivkrankenpfleger, Pharmareferent und mehreren Jahren Erfahrung in der Gang- und Bewegungsanalyse weiß ich genau, wie man läuft – und vor allem, wie man es effizient macht, ohne dabei wie eine Ente im Gegenwind auszusehen. 😉

Heute verbinde ich als Digital Health Manager Technik und Gesundheit und halte dabei stets den Finger am Puls der Zeit. Mein Ziel: Dir auf humorvolle und fachlich fundierte Weise zu zeigen, wie du gesund, mit Spaß und voller Motivation deine Laufziele erreichst – egal, ob du Einsteiger oder ambitionierter Läufer bist.

Danke fürs Lesen!

Ich habe Laufhelden.com ins Leben gerufen, weil ich fest daran glaube, dass jeder Mensch das Potenzial hat, seine eigenen Grenzen zu überwinden und ein Held in seinem eigenen Laufabenteuer zu werden. Meine Vision ist es, Menschen dabei zu unterstützen, ihre Ziele im Laufen zu erreichen – sei es durch fachkundige Anleitung, innovative Technologien oder einfach durch die Begeisterung für Bewegung.

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